Meine erste Mittelformat-Kamera und der Einstieg in die analoge Fotografie

 

Schon immer reizt mich an der Fotografie, alles selbst einstellen zu können. Blende, Belichtung, Empfindlichkeit und möglicherweise sogar den Fokus selbst festlegen. Egal, ob man nun versucht, dadurch die perfekte Belichtung zu erreichen oder aber stilvolle Effekte damit erzielen möchte: Manchmal genieße ich es rein manuell zu arbeiten. Das ist für mich etwas Besonderes, bin ich doch bereits mit Vollautomatik-Kameras aufgewachsen, wo man nicht viel mehr tun musste außer auszulösen und hin und wieder den Film zu wechseln. In der digitalen Fotografie hat man die direkte Bildkontrolle* und kann so Fehler direkt korrigieren, zumindest bei ruhigen Motiven. In der analogen Fotografie geht das nicht.

Getriggert durch den Reiz, nicht wissen zu können, was auf dem Bild ist habe ich jetzt den Schritt in die analoge Fotografie gewagt und mir auf ebay eine Mittelformatkamera aus den 50ern gekauft.

Die Kamera ist eine Rheinmetall Weltax von 1958, die zu der Kategorie der „Klappfalter“ gehört. Man kann sie also bei Bedarf einklappen und die Optik befindet sich gut geschützt im Gehäuse. Sie ist echt gut erhalten, ich musste gar nicht mehr viel daran machen. Bloß ein wenig entstauben und den Sucher sowie die Linsen mit Isopropanol aus der Apotheke reinigen. Ich hatte ein wenig Bedenken, ob die Auslösezeiten nach so einer langen Zeit noch stimmen. Der erste Test offenbarte: Viel zu lang! Aber nach ein paar Auslösungen passten die Zeiten wieder ungefähr, vermutlich weil die in die Kamera eingebrachten Öle wieder ein wenig viskoser wurden.

Die Kamera ist ein echtes Prachtstück. Neben der Kamera selbst habe ich außerdem die Originalverpackung, die Anleitung, einen Kaufbeleg und Garantienachweis, einen Drahtauslöser, die dazugehörige Ledertasche sowie eine Streulichtblende erhalten.

Ledertasche der Weltax
Eine schicke Ledertasche ist auch dabei.

Die Weltax wird mit 120er Rollfilm beladen und schießt entweder 12 Bilder im Format 6cm×6xm oder 16 Bilder im Format 4,5cm×6cm. Zum „Umschalten“ auf das kleinere Format kann ein Metallrahmen (ebenfalls enthalten) eingesetzt werden.

Auf der Rückseite befinden sich 2 rote abdeckbare Sichtfensterchen, mit welchen man den vollmanuellen Filmtransport überprüfen kann. Das mittige Fenster wird betrachtet, wenn man Bilder ohne den eingesetzten Rahmen im etwas größeren quadratischen Format schießt. Das linksseitig gelegene Fenster ist für das kleinere Format von Relevanz. Das Fenster zeigt jeweils die Zahl des aktuellen Bildes. Man spult also immer so weit vor, bis die nächste Zahl im Fenster erscheint.

Rückansicht der Weltax
Mit den Fenstern kann der Filmvorschub kontrolliert werden. Mit dem silbernen Schieber können die Fenster lichtdicht verschlossen werden, sodass kein ungewolltes Licht auf den Film gelangt.

Der Sucher bietet ebenfalls die Möglichkeit, auf das kleinere Format umzuschalten. Dabei werden seitlich zwei kleine Metallklappen in das Sichtfenster geklappt, sodass man ungefähr den passenden Ausschnitt sieht. In meinem Fall klappen die Klappen nicht vollständig auf, das muss man bei der Komposition des jeweiligen Bildes beachten. Außerdem bietet der Sucher eine Parallaxenverstellung, die man bei besonders nahen Objekten aktivieren kann. Betätigt man den entsprechenden Knopf, schnappt der hintere Teil des Suchers ein wenig nach oben, sodass sich die Sichtachse ein wenig neigt. Laut Gebrauchsanweisung handelt sollte man die Parallaxenverstellung verwenden, wenn sich das Objekt näher als drei Meter befindet.

Weltax von oben
Der Sucher kann auf das kleinere Filmformat umgestellt werden (Schieber auf der Oberseite des Suchers). Außerdem kann eine Parallaxenverstellung erfolgen (Schieber rechts vom Sucher).

Wie ich bereits geschrieben habe, erfolgt die Einstellung vollkommen manuell. Das war auch meine Anforderung bei der Auswahl eines geeigneten Modells: Es sollte eine Kamera ohne Batterie sein.

Bei dieser Kamera kann man am Objektiv die Blende, die Auslösezeit und den Fokus wählen. Am Fokusring sind dafür Entfernungen von 1 Meter bis unendlich angegeben. Ich muss einmal schauen, wie gut sich das einschätzen lässt. Zur Not muss die Blende ein wenig geschlossen werden, um eine höhere Tiefenschärfe zu erzielen. Die Blendenzahl kann übrigens von 3,5 bis 22 frei gewählt werden. Kombiniert mit Belichtungszeiten zwischen 1/250 Sekunde und 1 Sekunde kann hier jedes Motiv optimal in Szene gesetzt werden. Das verbaute Tempor-Objektiv mit Zeiss-Optik bietet sogar einen Bulb-Modus, bei dem der Auslöser einfach so lange gedrückt gehalten wird, wie man belichten möchte.

Auf Beleuchtungsequipment muss man übrigens nicht verzichten: Das Objektiv hat eine PC Sync-Buchse, über die man auch heutige Blitze noch anschließen kann. Die Kamera kann auch auf einem Stativ befestigt werden, die Stativschraube befindet sich allerdings nicht in der optischen Achse.

Ich habe mir jedenfalls erst mal eine Reihe verschiedener Schwarzweißfilme bestellt und werde demnächst einmal um die Häuser ziehen!

 

* Ja, ich habe von der neuen Leica M-D gehört. Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel.

2 Kommentare

  • Pingback: Analoge Fotografie: Der erste Film – Timo Jacobs

  • Thomas

    7. März 2017

    Hi Timo, da hast du die Weltax aber schön abgebildet. Ich habe und nutze sie ebenfalls. Meist bei Wanderungen, da ich eine sehr kompakte Mittelformatkamera mit gutem Objektiv (Tessar) benötige. Der besagte Schieber zum Einstellen der beiden Bildformate funktioniert bei mir auch nicht. Ich hatte die beiden Klapplamellen dann auch ausgebaut für „freie Sicht“, da ich eh nur im 6×6-Format damit fotografiere. Für das Einschätzen der Schärfentiefe habe ich bei mir eine Tabelle hinten und auf die Tasche geklebt. So kann man, zumindest mit Stativ und abgeblendet, sehr gut fokussieren! Apropos: Für normale Stative benötigt man noch einen Stativadapter (zu großes Gewinde). Das, was bei der Kamera übrigens „Tempor“ heißt, ist der „Verschluss“, den es auch an anderen Kameras gab. Die Weltax wurde ja auch mit anderen Verschlüssen und Objektiven ausgeliefert.
    Ich habe auf meinem Blog auch einen kleinen Artikel über die Weltax:
    http://analoge-fotografie.net/blog/kompakte-ausruestung/

    Gruß
    Thomas

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